Jugendbildungsstätten Bayern
c/o Aktionszentrum Benediktbeuern
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83671 Benediktbeuern
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Mit einer Rekordbeteiligung startete am 23. September die traditionelle dreitägige Herbsttagung der Jugendbildungsstätten: 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen zwölf Häusern kamen ins Aktionszentrum Benediktbeuern ins bayerische Voralpenland.
Leitthema der Tagung war die Frage nach den Werten in der Jugendarbeit: können Sozialkompetenzen in der Jugendarbeit ohne ein Wertegerüst der Einrichtung und ihrer Mitarbeitenden vermittelt werden, und ist Religion ohne Werte denkbar? Zum Einstieg präsentierte jedes Haus seine tragenden Werte: was leitet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeit in der täglichen Arbeit? Wo und in welcher Form finden sich diese Werte in den Angeboten der Jugendbildungsstätte wieder? Werden diese Werte von allen getragen? Deutlich wurde in der anschließenden Diskussion: Trotz großer Pluralität der Trägerschaften – katholische, evangelische, gewerkschaftliche Häuser, Einrichtungen der Jugendringe u.a. – die Arbeit der Jugendbildungsstätten fußt auf gemeinsam getragenen Werten (wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung), wie Partizipation, Wertschätzung, Stärkung der Ressourcen Jugendlicher, Wertschätzung für Mensch und Umwelt, Offenheit, Zeit für junge Menschen.
Führung mit der Vize-Direktorin des islamischen Forums, Gönül Yerli durch die Räumlichkeiten der Gemeinde in Penzberg
Um Wertevermittlung in der Jugendarbeit ging es auch bei dem Besuch der islamischen Gemeinde im 10 Kilometer entfernten Penzberg am Vormittag des zweiten Tages. 2005 errichtete diese am Ortsrand ein Forum mit Gebetsraum in zeitgenössischer Architektur als Einrichtung der Begegnung und des Austausches der Religionen und Kulturen. Vize-Direktorin Gönül Yerli führte durch das Haus, erläuterte die Architektur des Gebetsraumes sowie die Grundlagen der Religion und der religiösen Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Bewusst habe man sich dagegen entschieden, so Yerli, beim Bau des Forums ein Jugendzentrum mit zu planen. In einer Stadt wie Penzberg mit 82 Nationen sei es Ziel, dass die muslimischen Jugendlichen sich nicht im eigenen Zentrum separieren, sondern die Angebote der Stadt für ihre Altersgruppe nutzen.
Prof. Dr. Martin Lechner vom Jugendpastoralinstitut in Benediktbeuern, stellte in seinem anschließenden Impulsvortrag den Ansatz der religionssensiblen Erziehung vor. Seine These: „Bildung ohne Religion ist unvollständig. Religion ohne Bildung ist gefährlich". Pädagogische Arbeit müsse eine hohe Sensibilität für die Lebens‐ und Sinnfragen von jungen Menschen mitbringen, um professionell zu sein. Religiöse Überzeugungen, so Lechner, können vor allem im Leben von Risikokindern Schutzfaktoren sein, sie seien ein Schlüssel, um Kindern und Jugendlichen zu einem gelingenden Leben zu verhelfen. Dass Religion ein Resilienzfaktor ist, darüber bestand Einigkeit der Teilnehmenden. Dennoch wurde kritisch hinterfragt, wann religionssensible Erziehung in der Jugendarbeit vereinnahmend wird und ob Religion auf ein Instrument von Lebenshilfe oder Pädagogik reduziert werden kann.
Raum für fachlichen Austausch der einzelnen Berufsgruppen
Die Herbsttagung der Jugendbildungsstätten dient immer auch dem Fachaustausch in den jeweiligen Berufsgruppen. Vor der Hintergrundfolie „Werte und Religion" diskutierten die Mitarbeiter*innen der Hauswirtschaft, ob der vegane Lebensstil dabei ist, Religionsersatz zu werden. Deutlich wurde: in der Pluralismus unserer Gesellschaft ist es gar nicht mehr so einfach, alle Bedürfnisse der Besucher zu befriedigen. Die Verpflegungsansprüche der Gäste werden durch Lebensstil, aber auch durch die Zunahme an Allergien und Unverträglichkeiten immer ausdifferenzierter. Gleichzeitig muss die Küche innerhalb eines vorgegebenen Zeit- und Finanzrahmen agieren – Herausforderungen, die alle Häuser künftig stärker beschäftigen werden.
Den pädagogischen Mitarbeiter:innen stellte Michael Brunnhuber vom Aktionszentrum das Konzept der Orientierungstage vor. Als Einrichtung der Salesianer Don Boscos möchte das Aktionszentrum Jugendlichen mit diesem Angebot bewusst Zeit geben, um sich mit ihrem Lebensweg, ihrem Alltag, ihrer Mitwelt, ihren religiösen Erfahrungen auseinanderzusetzen. Gezielte Impulse sollen es dabei den Jugendlichen ermöglichen, Themen, Werte, Konflikte, aber auch Lebensfreude zum Ausdruck zu bringen.
Jodi Scott Backes stellte in ihrem Part die Konzepte „Das ist Klasse!" und „Das ist krass" der Jugendbildungsstätte Unterfranken, einer interkulturellen Facheinrichtung, vor. Diese Angebote geben einer Schulklasse oder Jugendgruppe die Möglichkeit, sich mit ihrer Vielfalt auseinander zu setzen. Dabei werden vorhandene Migrationserfahrungen der Schüler:innen ganz bewusst als Chancen und zusätzliche Kompetenzen vermittelt. Anhand unterschiedlicher Übungen wird die Vielfalt der Schulklasse oder Jugendgruppe als Wert in den Vordergrund gestellt. Die Übungen machen die Vielfalt im positiven Sinne und die Stärken der Klasse als Einheit spürbar. Die Schüler*innen können damit ihre Vielfalt als etwas Bereicherndes und Alltägliches erfahren.
Klare Worte zur Flüchtlingssituation von Matthias Fack, Präsident des BJR
Die Frage, welche Aufgaben die Jugendbildungsstätten Bayern aktuell und in Zukunft beim Thema Flüchtlinge übernehmen können, welche Kompetenzen und Erfahrungen sie einbringen, zog sich wie ein roter Faden durch die Herbsttagung. Eigens zu einem Austausch darüber kamen am Freitag Matthias Fack, Präsident des Bayerischen Jugendrings und Gerhard Hopp, MdL, jugendpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion nach Benediktbeuern.
Beide wollten hören, welche Erfahrungen die Jugendbildungsstätten Bayern mit der Unterbringung von Unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UmF) haben und was sie bei der Integration der jungen Flüchtlinge leisten können. Jugendbildungsstätten, so das Fazit von Matthias Fack nach der gemeinsamen Diskussion, bringen die notwendigen Konzepte mit, um Integration von jungen Flüchtlingen gelingen zu lassen. Auf großes Interesse stieß bei beiden der Vorschlag, an den Jugendbildungsstätten interkulturelle Fachstellen zu implementieren, um Jugendlichen mit und ohne Migrationserfahrung aber auch haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen der Jugendarbeit notwendige Kompetenzen zu vermitteln.
Die Jugendbildungsstätte Burg Schwaneck in Pullach nimmt ab Anfang Oktober und befristet bis Juli 2017 mehr als 100 UmF auf. Das Bildungsprogramm der Burg wird an Alternativorten durchgeführt. Auch die Jugendbildungsstätte Waldmünchen unterhält als Träger derzeit zwei Wohngruppen, die Jugendsiedlung Hochland in Königsdorf eine kleine Wohngruppe mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.
Engagement darf nicht zulasten der außerschulischen Bildungsarbeit gehen
Ihre Kernkompetenzen sehen die Jugendbildungsstätten jedoch nicht beim Angebot „Bett und Verpflegung" für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Das derzeitige pädagogische Angebot der außerschulischen Jugendbildung darf unter einem Engagement für Flüchtlinge nicht leiden, so das einhellige Fazit der Tagenden. Auch ist in den meisten Häusern eine gleichzeitige Unterbringung von Flüchtlingen während des laufenden Bildungsbetriebes aus baulichen Gründen nicht möglich.
Aufgrund der Herausforderungen, täglich neue Flüchtlinge unterbringen zu müssen, gerät in den Hintergrund, dass die Menschen, die kommen, überwiegend bleiben werden. Hierzu ist mittel- und langfristig Fachpersonal notwendig, das Integrationsarbeit leisten kann. Hier können und wollen die Jugendbildungsstätten Verantwortung übernehmen. Mit ihren Kompetenzen und Erfahrungen sind sie fachlich qualifiziert, junge Flüchtlinge beim Hineinwachsen in die Gesellschaft zu unterstützen und haupt- und ehrenamtlich Tätigen in der Flüchtlingsarbeit notwendige interkulturelle Fähigkeiten zu vermitteln:
Für junge Menschen mit und ohne Migrations- oder Fluchterfahrung gibt es in den Häusern bereits langjährig erprobte Angebote der politischen Bildung, in denen die Demokratieerziehung im Mittelpunkt steht.
Kooperationen mit Mittel- und Berufsschulen zur beruflichen Orientierung sowie die Netzwerke mit ausbildenden Betrieben in den Regionen sind ein weiteres besonderes Merkmal der langjährigen Arbeit der Jugendbildungsstätten vor Ort. Sie sollen jungen Flüchtlingen ermöglichen, in Deutschland berufliche und damit auch Lebensperspektiven zu entwickeln.
Interkulturelle Trainings (s.o.) der Jugendbildungsstätten stehen haupt- und ehrenamtlich Tätigen in der Flüchtlingsarbeit zur Verfügung, um notwendige Kompetenzen für ihre Arbeit zu erlangen.
Auch als Beschäftigungspartner für junge Flüchtlinge bieten sich die Jugendbildungsstätten an. Da alle Häuser als gemeinnützig anerkannt sind, können sie Flüchtlinge bis zu 20 Stunden pro Woche beschäftigen.
Als Auszubildende sowie Freiwillige im BFDA, FSJ und FÖJ können die Jugendbildungsstätten in den nächsten Jahren junge Flüchtlinge aufnehmen. Diese profitieren besonders vom pädagogischen Know-how in den Häusern, das Garant für eine gelingende Integration in die Mitarbeiterschaft des Hauses ist.
Darüber hinaus wird es für die Zukunft auch darum gehen, konzeptionell zu überlegen, wie bestehende thematische Schwerpunkte in den Häusern auf die aktuelle Situation hin angepasst werden können und sollen. „Wir haben den Auftrag, wir haben die Kompetenzen und wir wollen uns einbringen – aber nicht unter allen Bedingungen", so lautet das gemeinsame Fazit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bayerischen Jugendbildungsstätten am Ende dieser spannenden Tagung.
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